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Mobile Netzersatzanlagen: Stage V, Normen & Praxis
von Thiele KG
Mobile Netzersatzanlagen (NEA) auf Anhänger-Trailern sind schnell am Einsatzort, übernehmen bei Netzausfall kritische Lasten oder versorgen Inselnetze. Damit das sicher gelingt, braucht es: korrekte Dimensionierung, VDE-konforme Umschaltung, klar definierten Erdungs-/Schutzkonzepten sowie die Einhaltung emissions-, lärm- und transportrechtlicher Vorgaben.
Stage V ist nicht Euro 5 – was gilt wirklich bei mobilen Notstromgeneratoren?
Wichtig für Betreiber: Euro 5/Euro 6 sind Straßenfahrzeug-Normen (Pkw/leichte Nutzfahrzeuge). Mobile Generatoren gehören rechtlich zur Non-Road Mobile Machinery (NRMM) und müssen die Abgasstufe „Stage V“ erfüllen.
Praxisregel:
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Zugfahrzeug: Euro-Norm (z. B. Euro 6)
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Generator-Aggregat: Stage V (NRMM)
Gilt Stage V auch, wenn ich das Aggregat nur auf dem Hänger transportiere, am Einsatzort ablade und dort betreibe?
Ja. Sobald das Set mobil transportiert und wechselnden Einsatzorten zugeführt wird, gilt es als mobile Maschine → Stage V-pflichtig. Nur stationär fest installierte Anlagen (erste Installation, dauerhafter Standort) fallen nicht darunter und unterliegen anderen Regelwerken.
Normen & Vorschriften im Überblick
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DIN VDE 0100-551 (Beiblatt 1): Auswahl/Errichtung von Stromerzeugern, allpolige Trennung (L1–L3+N), Verriegelung gegen Rückeinspeisung, Anforderungen an Umschalter I-0-II.
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DIN VDE 0100-717: Mobile/transportable Einheiten (relevant, wenn Generator+Verteilung als Einheit betrieben werden).
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ISO 8528-1: Leistungs-Ratings (ESP/PRP/COP) – Grundlage für die richtige Auslegung.
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Richtlinie 2000/14/EG (Außengeräusch): Kennzeichnung/Anforderungen für Geräte im Freien.
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DIN EN 12195-1 / VDI 2700: Ladungssicherung auf dem Trailer (Zurrkräfte, Gurtwinkel, Reibwerte).
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ADR/GGVSEB: Transport/Handhabung von Diesel (UN 1202) – Mengengrenzen/Ausnahmen.
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DGUV Vorschrift 3: Wiederkehrende Prüfungen, Dokumentation, Prüfplakette.
Fallbeispiel: Kühlkette bei −22 °C – Trailer-NEA sichert Logistik-Hub
Ein Tiefkühl-Logistiker betreibt mehrere −22 °C-Zonen. Für Netzausfälle wurde ein 100 kVA-Trailer-Set (Stage V) beschafft.
Setup:
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Rating: ESP mit 25 % Reserve für Verdichter-Anläufe.
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Umschaltung: Verriegelter I-0-II mit allpoliger N-Trennung; Rückspeisung ausgeschlossen.
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Erdung/PA: Lokaler Erdspieß, TN-S-Verteilung, selektive RCD-Kaskade (S-Typ 300 mA zentral, 30 mA Endkreise).
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Akustik/Emission: Schallgekapselt, Geräusch-Kennzeichnung nach 2000/14/EG vorhanden.
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Transport: Ladungssicherung rechnerisch nach DIN EN 12195-1 dokumentiert; Diesel-Mitführung gemäß ADR-Ausnahme.
Ergebnis: 47 min Netzausfall – Verdichter liefen durch, Temperatur blieb stabil, HACCP-Daten lückenlos, null Warenverlust.
Netzersatzanlagen richtig planen: Umschaltung, Erdung und Schutz
Umschaltung: Für Notstromeinspeisungen ist eine zwangsläufige, allpolige Netztrennung inkl. N-Leiter vorgeschrieben. Bewährt: Netzüberwachung + Umschalter I-0-II; Parallelbetrieb nur synchronisiert.
Erdung/Schutzmaßnahme: Je nach Betriebsart (Insel vs. Netzersatz) Erdspieß/PA vorsehen, N-PE-Bezug klar definieren (N-Brücke nur, wenn konzeptionell erforderlich). Schutz in der Regel TN-S mit abgestuften RCDs (bei Frequenzumrichtern/FU-Lasten RCD-Typ B).
Selektivität/Anlaufströme: Transformatorische Anläufe, Verdichter oder USV-Lader berücksichtigen (Anlaufstrom-Faktor, Kurzschlussfestigkeit, ggf. Soft-Start).
Dimensionierung nach ISO 8528-1
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ESP (Emergency Standby Power): reine Notlast, kurzzeitig, kein Dauerbetrieb.
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PRP (Prime Power): variable Dauerlast (z. B. Inselbetrieb).
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COP (Continuous Operating Power): konstante Dauerlast.
Tipp: 20–30 % Leistungsreserve einplanen, THDi/THDu empfindlicher Verbraucher (IT, Medizintechnik) berücksichtigen, ggf. AVR/IGBT-Regelung und Netzfilter vorsehen.
Lärm, Emissionen & Einsatzumgebung
Stage V-konforme Motoren sind Stand der Technik – gefordert für mobile Sets. Zusätzlich Außengeräusch-Kennzeichnung beachten (2000/14/EG). Für dicht besiedelte Bereiche: schallgekapselte Aggregate, kluge Standortwahl, Schallschutzmatten/Leitwände. Abgasführung so anordnen, dass Ansaugen in Gebäude ausgeschlossen ist.
Transport & Ladungssicherung auf dem Anhänger
Zugfahrzeugdaten (zul. Anhängelast O.1/O.2, Stützlast) prüfen, gebremste Trailer bevorzugen. Aggregate, Tanks, Kabeltrommeln form- und kraftschlüssig sichern: Berechnung nach DIN EN 12195-1 (LC, STF, Winkel, μ). Zurrpunkte dokumentieren, Kantenschoner verwenden, Kippgefahr vermeiden.
Checkliste: In 7 Schritten zur sicheren mobilen NEA
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Einsatzprofil klären (Backup/Insel, Anlaufströme, EMV/THD).
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Leistung nach ISO 8528-1 (ESP/PRP/COP) wählen + Reserve.
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Stage V-Konformität des Aggregats prüfen (Typenschild/CoC).
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Umschalter I-0-II mit allpoliger N-Trennung und Verriegelung vorsehen.
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Erdung/RCD-Konzept nach VDE festlegen (FU-Lasten → RCD-Typ B).
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Außengeräusch & Einsatzzeiten (2000/14/EG/örtliche Auflagen) beachten.
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Ladungssicherung nach DIN EN 12195-1 berechnen & dokumentieren; ADR prüfen.
Fazit
Mobile NEA sind Sicherheitsnetze – technisch sauber geplant, rechtskonform dokumentiert und betrieblich geübt. Entscheidend ist das Verständnis: Stage V gilt für das Aggregat (NRMM), Euro-Normen nur fürs Zugfahrzeug. Mit VDE-gerechter Umschaltung, klarer Erdung und belastbarer Ladungssicherung bleibt Ihre Energieversorgung verlässlich – überall.